Festival-Review


Open Air der vielen Gesichter

Das "Blacksheep Festival" überzeugt einmal mehr mit geschmackssicher zusammengestelltem Line-Up und hohem Wohlfühl-Faktor

Zum sechsten Mal lockte vom 27. bis zum 29. Juni das BLACKSHEEP FESTIVAL Musikfans aus der ganzen Republik in den idyllischen Bonfelder Schlosspark. Von Legenden, über Insidertipps und Lokalmatadoren, bis hin zu jungen Newcomern wurde dem Publikum auch diesmal wieder ein breites Spektrum an zum Teil exklusiv aus dem Ausland angereisten Künstlern geboten. Trotz der großen Konkurrenz - ZZ Top rockten in Bietigheim-Bissingen, Foreigner sowie Mother's Finest in Künzelsau - blieb das Publikumsinteresse am BLACKSHEEP FESTIVAL auch in diesem Jahr konstant. Insgesamt 8400 Besucher hatten an drei Festivaltagen mit hochsommerlichen Temperaturen eine Menge Spaß und genossen neben diversen kulinarischen Verlockungen und dem nicht alltäglichen Ambiente vor allem auch das gewohnt hochwertige Künstler-Line-Up mit etlichen innovativen Insidertipps.

 

Das Festival

Livemusik inmitten großer alter Bäume. Die Bonfelder Schlossparkbühne am frühen Abend.
Livemusik inmitten großer alter Bäume. Die Bonfelder Schlossparkbühne am frühen Abend.

 Mit dem Anliegen, über die Musik und das hinlänglich bekannte Festival-Food hinaus eine Wohlfühl-Atmosphäre mit weitergehenden Angeboten zu schaffen, zeigte die Bonfelder Blacksheep Kulturinitiative vor fünf Jahren bei ihrem ersten Open Air echten Pioniergeist. Schon damals fiel die Detailverliebtheit auf, mit der das Festivalgelände hergerichtet war. Es gab selbst gebackenen Kuchen, eine erlesene Auswahl an Weinen sowie diverse Biersorten von Hefeweizen bis Guinness,  stilecht ausgeschenkt im Glas. Dazu kam ein fantasievolles Rahmenprogramm mit Artisten, Clowns und Straßenmusikern. Weitaus größere Festivals, wie bespielsweise das "A Summer's Tale" im norddeutschen Luhmühlen, setzen inzwischen in ähnlicher Weise um, was beim BLACKSHEEP FESTIVAL von Beginn an praktiziert wurde und fahren gut damit.


 Der rührige Bonfelder Kulturverein hat sich mit frischen Ideen bezüglich der Organisation seines Festivals und viel ehrenamtlichem Engagement zwar schon ein Stammpublikum erarbeitet, dennoch ist es auch sehr wichtig, über ein markantes Alleinstellungsmerkmal beim Band-Booking neue Festivalbesucher von weiter weg zu erreichen. Schließlich hat mich vor fünf Jahren nur der erste und gleichzeitig auch einzige Auftritt der legendären irischen Folkrock-Formation HORSLIPS in Deutschland seit Ende der 70er-Jahre dazu bewegt, mehr als 200 Kilometer quer durchs Land zum ersten BLACKSHEEP FESTIVAL zu fahren.

 

Die Musik

Ihr Banjo klingt manchmal verzerrter als die Gitarre manches gestandenen Garagenrockers: Greta Bondesson vom famosen schwedischen Schwestern-Trio Baskery in Aktion.
Ihr Banjo klingt manchmal verzerrter als die Gitarre manches gestandenen Garagenrockers: Greta Bondesson vom famosen schwedischen Schwestern-Trio Baskery in Aktion.

 Dass ALBERT HAMMOND, WOLFGANG NIEDECKEN und HANS SÖLLNER die Großväter von SONS OF THE EAST, ROADSTRING ARMY oder HANNAH & FALCO sein könnten, sie alle aber dennoch auf ein und dasselbe Festival gebucht wurden, ist nur eine der erstaunlichen Facetten des BLACKSHEEP FESTIVALS. In der Vergangenheit hat diese Melange aus Alt und Jung wie auch das breit gefächerte Stilspektrum ein altersmäßig bunt gemischtes Publikum angelockt. Ein Konzept geht hier auf, an dem sich andere Veranstalter vergeblich versuchen.


 Der erste Abend mit  WOLFGANG NIEDECKENS BAP als Headliner, der Augsburger Folkrock-Band THE SEER und HANNAH & FALCO war bereits im Vorfeld ausverkauft. Wir vom "Hinterland" konnten erst am Freitag anreisen, wo uns gleich die erste Band vom Hocker riss. Greta, Stella und Sunniva Bondesson von der schwedischen Band BASKERY haben nichts vom musikalischen Biss der frühen Jahre verloren. In mitreißender Gangart preschten die drei Schwestern durch ihre punkig angehauchte Melange aus Bluegrass, Rock'n Roll, Blues und Country. "Killbilly" oder "Mud-Country" nennen sie das selbst. Ihre Coverversion von Neil Youngs "Old Man" war ein erster Höhepunkt des Sets, dem allerdings eigene Kracher wie "One Horse Down" oder "Haunt You" in nichts nachstanden. Eins stellte der Auftritt der Bondesson-Schwestern klar. BASKERY ist bis heute eine viel zu unterbewertete Band geblieben.

 

Songschreiber Albert Hammond ließ in Bonfeld kaum einen seiner zahlreichen Hits aus.
Songschreiber Albert Hammond ließ in Bonfeld kaum einen seiner zahlreichen Hits aus.

 Coverversionen musste Hitlieferant ALBERT HAMMOND natürlich keine spielen, er kann mehr als ein Dutzend Stars aufzählen, die seine Songs zu Welthits gemacht haben. Der 75jährige Singer/Songwriter aus London wurde von "Beat-Club"-Legende USCHI NERKE angekündigt. Sein eher gemächlicher Auftritt mit unauffällig agierender Band hatte vor allem anfangs das Flair des "ZDF Fernsehgartens". Erst in der zweiten Hälfte des Sets, als ALBERT HAMMOND seine Evergreens auspackte, kam vor der Parkbühne auch in den hinteren Reihen Stimmung auf. Mit Gassenhauern wie "Peacemaker", "I'm A Train", "One Moment In Time" und "When I Need You" ging es deutlich lebhafter in die Zielgerade. Beim hippieseligen "It Never Rains In Southern California", "The Free Electric Band" und dem abschließenden "The Air That I Breathe" ließ ALBERT HAMMOND in Sachen Stimmung nichts mehr anbrennen. Überall wurde nun lautstark mitgesungen.  

 

Max Mutzke und Monopunk waren mit ihrem erstklassigen Auftritt eine der Überraschungen des diesjährigen Festivals.
Max Mutzke und Monopunk waren mit ihrem erstklassigen Auftritt eine der Überraschungen des diesjährigen Festivals.

 MAX MUTZKE und seine hervorragend besetzte Formation MONOPUNK überraschten danach auf der Kornspeicher-Bühne mit ebenso knackigem wie groovigem Funkrock und gefühlvollem Soul. Das Repertoire des Südbadeners speiste sich an diesem Abend vor allem aus den Tracks des mit analogen Originalinstrumenten eingespielten Albums "Colors", für das alte Hip Hop-Nummern als Soul-Songs gecovert wurden. Gleich mit "All Good?" von De La Soul und dem eingängigen Grandmaster Flash-Oldie "White Lines" brachte die Waldshut-Hamburg-Connection das Publikum zum Mitgrooven und Tanzen.  "Men In Black" - im Original von Will Smith - gab der blind aufeinander eingespielten Band dagegen Raum für jazzige Improvisationen. Alles auf höchstem spielerischen Niveau wohlgemerkt. Zeit zum Atemholen gab es bei der von MUTZKE grandios gesungenen Mary J. Blige-Ballade "No One Will Do". In Sachen musikalischer Brillanz und cooler Bühnenpräsenz waren MAX MUTZKE & MONOPUNK neben BASKERY eindeutig das Highlight des Tages.

 

 Man sah es an den Trägern zahlreicher "Wacken"- und sonstiger Metal-T-Shirts, die schon tagsüber auf dem Festival gesichtet wurden. Sie alle waren vor allem wegen DORO PESCH gekommen. Die Düsseldorferin beschloss den Festival-Freitag mit dem geradlinigen Power-Metal, den man seit mehr als 30 Jahren von ihr kennt und schätzt. Neben neuen Songs wie "Bastardos" wurden von der deutschen "Queen Of Metal" und ihrer Fangemeinde auch alte Warlock-Klassiker wie "Burning The Witches" abgefeiert.

 

40 Jahre Widerstand und Reggae: Hans Söllner feierte mit dem Publikum Klassiker wie "Mei Vodda (hod an Marihuana-Baam)" und "Boarischer Krautmo", bei denen vielstimmig mitgesungen wurde.
40 Jahre Widerstand und Reggae: Hans Söllner feierte mit dem Publikum Klassiker wie "Mei Vodda (hod an Marihuana-Baam)" und "Boarischer Krautmo", bei denen vielstimmig mitgesungen wurde.

 Am Samstagnachmittag gegen 15.30 Uhr eröffnete ROADSTRING ARMY das Programm. Trotz brütender Hitze brachten die vier jungen Ulmer ihren an Bands wie Nickelback oder 3 Doors Down angelehnten Acoustic-Rock engagiert rüber und wurden mit viel Beifall verabschiedet.

 

 Liedermacher und Reggae-Musiker HANS SÖLLNER, der sich an diesem Tag vor allem auf Gesundheitsminister Jens Spahn eingeschossen hatte, freute sich fast diebisch, dass die Kids mit ihrer "Fridays For Future"-Bewegung die große Politik derzeit ganz schön ins Schwitzen bringen. Apropos Schwitzen. Beim Auftritt des Bad Reichenhallers taten sich vor der Schlosspark-Bühne einige große Lücken auf, was sicher nicht an ihm selbst lag. Bei mehr als 33 Grad Außentemperatur suchten alle ein Schattenplätzchen. Für HANS SÖLLNER kein Problem, der gewohnt humorvoll und bissig loslegte. Der Rebell und Mahner warb für die Legalisierung von Marihuana, erinnerte uns an die deutschen Waffenexporte, mit denen auch Kindersoldaten töten müssen und munterte uns auf, gegen die Großkopfeten zusammen zu stehen. Es brauchte ein paar Songs, bis man sich auf die etwas eigentümlichen Reggae-Rhythmen seiner Band BAYAMAN SISSDEM eingestellt hatte, danach war jedoch das Festivalvolk im Park trotz der Hitze ordentlich am Mitgrooven.

 

 WESTWOOD hat in der Heilbronner Gegend einen legendären Ruf. Das deutsch-amerikanische Trio war von 1975 bis 1986 aktiv und spielte damals Konzerte in ganz Deutschland. Zur Freude ihrer Fangemeinde sind Dave German, Wolfgang Köhler und German Vogt seit 1997 wieder aktiv. Entsprechend voll war es vor der Innenhofbühne, als die drei Szene-Urgesteine mit ihren hochmelodiösen Country- und Folksongs an Westcoast-Bands wie die Eagles, Crosby Stills Nash & Young oder Poco erinnerten.

 

Keine Angst, Trails neuer Sänger und Gitarrist Luca Villegas weiß auch bei sanften Balladen zu überzeugen.
Keine Angst, Trails neuer Sänger und Gitarrist Luca Villegas weiß auch bei sanften Balladen zu überzeugen.

 TRAILS boten zur selben Zeit auf der Kornspeicher-bühne eine interessante Melange aus hartem Alternative-Rock, Country, Blues und Folk. Später spielte die Münchener Band im "Kid's Club" unplugged für die ganz kleinen Festivalbesucher. Nette Geste!


 SONS OF THE EAST sind gerade dabei, auch bei uns in Deutschland ihren Insiderstatus hinter sich zu lassen. Mit ihren eingängigen Folk-Pop-Songs war die Band eine der angenehmen Überraschungen des diesjährigen Festivals. Die australischen Newcomer sorgten mit ihrem sonnigen Goodtime-Sound für den perfekten Sommer-Soundtrack.      

 

 Echtes Southernrock-Feeling kam bei der Formation RECKLESS KELLY aus Austin/Texas auf. Ihre zwischen Country und Rock verorteten Songs hatten teilweise Jam-Charakter und weckten angenehme Erinnerungen an Bands wie die Allman Brothers oder The Outlaws.            

Drummer Ric Lee und Keyboarder Chick Churchill von Ten Years After mit Frontmann Marcus Bonfanti.
Drummer Ric Lee und Keyboarder Chick Churchill von Ten Years After mit Frontmann Marcus Bonfanti.

 Einen derart kompetenten Auftritt von TEN YEARS AFTER, der letzten Band auf der Kornspeicherbühne, hatten viele der Besucher nicht erwartet. Das Quartett um die beiden Original-Mitglieder Ric Lee und Chick Churchill überzeugte mit kraftvoller Gangart und Improvisationslust auch gestandene Rockfans, die TEN YEARS AFTER noch in der Originalbesetzung erlebten. Neue Songs waren kaum zu hören. Dafür standen auf der Setliste des britischen Bluesrock-Urgesteins viele Klassiker der legendären LP "Recorded Live". Mit "One Of These Days", "I Can't Keep From Crying Sometimes", "Help Me", Ric Lee's Drumsolo-Nummer "Hobbit", "Good Morning Little Schoolgirl", dem Woodstock-Hit "I'm Going Home" und dem unverwüstlichen Rock'n Roll-Feger "Choo Choo Mama" wurden gleich sieben der neun Tracks dieses Meilenstein-Albums von 1973 aus den Boxen geblasen. Dazu gab's in erstklassig  abgemixtem Sound mit "Hear Me Calling" und "Love Like A Man" zwei weitere TYA-Hits auf die Ohren. Mit Gitarrist und Sänger Marcus Bonfanti haben Churchill und Lee einen hochtalentierten Frontmann gefunden, der eine durchaus eigene Note in die von Originalgitarrist Alvin Lee geprägten Songs einfließen ließ. Bassist Colin Hodgkinson war auf der Bühne die Ruhe selbst. Ein echter Routinier der englischen Blues- und Rockszene, der mit seinem angenehm unaufdringlichen, jedoch immer druckvollen Spiel das vor fünf Jahren ausgestiegene Gründungsmitglied Leo Lyons würdig ersetzt.

 

Mando Diao setzte zum Schluss mit Krachern wie "Dance With Somebodey" ein fettes Ausrufezeichen.
Mando Diao setzte zum Schluss mit Krachern wie "Dance With Somebodey" ein fettes Ausrufezeichen.

 Für einen gelungenen Festivalabschluss sorgte MANDO DIAO aus Schweden. Die Alternative-Rock-Band um Gitarrist und Sänger Björn Dixgård spielte zwar neben den neueren, mit elektronischen Zutaten aufgepeppten Songs nur wenige der alten Garagenrock-Feger, brachte aber das Festivalvolk mit ihrem in die Beine gehenden Hard-Pop dennoch schnell auf Touren. Das Publikum blieb trotz der vorgerückten Stunde fast geschlossen vor der Schlossparkbühne und feierte mit der Band bis zur letzten Nummer.  Die Skandinavier bedankten sich mit tollen Songs wie der Akustik-Ballade "Hit Me With A Bottle"., bei der Björn Dixgårds rauer Gesang besonders gut zur Geltung kam. Und mal ehrlich, wer kann zum unwiderstehlichen Groove des Disco-Monsters "Dance With Somebody" oder dem stürmischen Drive der beiden frühen Rock'n Roll-Feger "Down The Past" und "White Wall" stillstehen? 


 Übrigens konnte auch die Schwarzwälder Rockband VON WELT am Freitag und Samstag mit ihren "Stillen Konzerten" Erfolge verbuchen. Obwohl die vier Musiker ihr Equipment etwas abseits der Bühnen aufbauten, hatten sie immer wieder genügend Zuhörer, die via Kopfhörer in ihre hörenswerte Musik zwischen Indie und Alternative eintauchten.

 

Die südbadische Band Von Welt bei einem ihrer "stillen Konzerte" auf dem Bonfelder Festivalgelände.
Die südbadische Band Von Welt bei einem ihrer "stillen Konzerte" auf dem Bonfelder Festivalgelände.

 Last but not least möchten wir an dieser Stelle nochmals das sehr schöne Bonfelder Ambiente, den eigentlichen Star des Festivals loben. Diese super Deko mit den Vinylplatten, die charmanten Elfen auf Stelzen und natürlich das Blacksheep-Team selbst. Es bereitete nicht nur Backstage den anwesenden Künstlern den Himmel auf Erden, auch wir Medienvertreter und natürlich die Besucher wurden kompetent betreut. Weiter so!      


 Nach dem Festival ist vor dem Festival. Das BLACKSHEEP FESTIVAL 2020 findet vom 18. bis 20. Juni statt. Mit ersten Bandbestätigungen ist ab Herbst zu rechnen.

 

 


Text und Fotos: Miche Hepp