Konzert-Review


Cooler Rock und spannende Improvisation

Der Alte Schlachthof in Sigmaringen hat mit den Bands Embryo und BRTH sein 30jähries Bestehen nachgeholt

Endlich wieder Livemusik in Sigmaringen! Nach langer Corona-Zwangspause konnte das Team des Kulturzentrums Alter Schlachthof am 24. Juli endlich das bereits im vergangenen Jahr angesetzte Jubiläumskonzert mit EMBRYO und BRTHR nachholen. Zwei Bands, die musikalisch nicht verschiedener sein können, gingen Letztere doch in Vintage-Rock-Manier und songorientiert zu Werke, während die Münchener Kultband mit einer improvisationslastigen Fusion aus Jazz, Rock und Weltmusik begeisterte. War der Tag bis kurz vor Beginn der Veranstaltung von kurzen Regenschauern geprägt, meinte es der Wettergott am Ende doch noch gut mit den Musikern, Konzertbesuchern und Veranstaltern. Man konnte in der entspannten Garten-Atmosphäre des Schlachthof-Innenhofes zwei vielversprechende Bands genießen.

 

Bekennende J.J. Cale-Fans mit durchaus eigenen Sound- und Songideen: Joschua Brettschneider und Philipp Eissler von BRTH rockten relaxter Gangart.
Bekennende J.J. Cale-Fans mit durchaus eigenen Sound- und Songideen: Joschua Brettschneider und Philipp Eissler von BRTH rockten relaxter Gangart.

 BRTHR eröffnete das verspätete Geburtstags-ständchen mit melancholischen Songs zwischen Rock, Soul, Americana und Folk, bei denen der Ohrwurmfaktor ziemlich hoch lag. Ein Sound, den man ohne Wenn und Aber im Süden der USA verorten würde, wüßte man nicht, dass diese Jungs aus der Landeshauptstadt angereist sind. Neben dem einfühlsamen Gesang von Gitarrist und Sänger Philipp Eissler erwies sich vor allem das von Vintage-Klängen durch-strömte Gitarrenspiel Joscha Brettschneiders als typisches Trademark der Band. Letzterer überzeugte einmal mehr als Meister der Reverb-Gitarre und der kurzen, prägnanten Gänsehaut-Soli. Mit sanften Ohrschmeichlern wie "Speak Loud, When You Speak Love" vom aktuellen, dritten Album "High Times for Loners", dem

J.J. Cale-Rip Off "Love Me Like You Do" oder der Country-Ballade "Somewhere Else Tomorrow" wurde die Stimmung eines großen, ruhig dahinfließenden Stromes erzeugt, in den man sich liebend gerne fallen und treiben lassen wollte. Sehr cool was die Stuttgarter Bandszene da zu bieten hat. Übrigens wurden Philipp Eissler und Joschua Brettschneider kompetent von Bassist Max Braun und Drummer Johann Polzer begleitet, die auf der Konzertbühne das als Duo gegründete Projekt bereichern.

 

Blind aufeinander eingespielt: Embryo begeisterte mit einem enorm kurzweiligen Set.
Blind aufeinander eingespielt: Embryo begeisterte mit einem enorm kurzweiligen Set.

 Das aktuelle Line-Up von EMBRYO bilden Gitarrist Jan Weissenfeldt, Bassist Maasl Maier, Saxophonist/Trompeter Sascha Lüer und Drummer Sebastian Wolfgruber. Bandleaderin Marja Burchard überzeugte in Sigmaringen als musikalischer Tausendsassa. Mit ansteckender guter Laune pendelte sie zwischen Keyboards, Vibraphon, Posaune, persischem Hackbrett, dem Drumset und diversen Percussion-Instrumenten hin und her. In Sigmaringen startete die Band akustisch-exotisch mit dem "Dschungel-Intro" des aktuellen Livealbums „Green Door Live Session“. In der Folge durfte sich das Publikum an jazzigen Parts, Spacerock-Einschüben, freier Improvisation und schon fast spielerisch schön umgesetzter Weltmusik freuen.

Bandleaderin Marja Burchard hat ein spannendes neues Kapitel in der langen Geschichte der Band Embryo aufgeschlagen.
Bandleaderin Marja Burchard hat ein spannendes neues Kapitel in der langen Geschichte der Band Embryo aufgeschlagen.

 Eines wurde schnell klar, der musikalische Kosmos dieser im Grunde von Marja Burchard runderneuerten Band scheint grenzenlos. Das erinnert einerseits stark an die wilde Aufbruchszeit der progressiven Rockmusik Ende der 60er-Jahre und kommt doch enorm frisch und funky rüber. Die Umbesetzung mit jungen Musikern der bayerischen Szene tut der Band gut, sie klingt schlichtweg dynamischer, als noch vor zehn Jahren. Doch bei EMBRYO sind es nicht vorrangig die Musiker, die im Mittelpunkt stehen, das wird im Alten Schlachthof auch klar. Es ist diese weltoffene Vision des kulturellen Aufeinander Zugehens, die von dieser Band über Generationen hinweg weitergetragen wird.

 

 Die vor 30 Jahren verstorbene Jazzlegende Miles Davis sagte einmal anerkennend, “Embryo – they are these crazy creative musicians playing really great stuff.“ Er hätte sich sicher auch über dieses junge, kreative Line-Up der seit 52 Jahren bestehenden Band gefreut. Bleibt zu hoffen, dass beide Bands in naher Zukunft mal wieder in den Alten Schlachthof gebucht werden. Der Hunger des Sigmaringer Publikums nach mehr Musik von BRTHR und EMBRYO dürfte nach diesem gelungenen Abend geweckt sein. 

 

 

Text & Fotos: Miche Hepp