Zeitreise


Regionale Rock-Klassiker

Platten aus Zeiten, in denen Songs noch Suiten waren

Seit 20 Jahren bietet GARDEN OF DELIGHTS fast vergessenen Rockbands aus den 70er-Jahren ein Forum. Knapp 200 Wiederveröffentlichungen sind es bisher geworden. Dabei rückt das kleine, von Walter Nowicki gegründete Label aus Bochum auch immer wieder Bands in den Fokus, die aus der Szene zwischen Stuttgart und dem Bodensee kamen. Ende der 70er-Jahre gehörten ZOMBY WOOF und McOIL zu den am meisten gefragten Rock-Acts aus dieser Region. GARDEN OF DELIGHTS  hat die jeweils einzigen Longplayer der Bands aus Reutlingen und Ochsenhausen wiederveröffentlicht. Wenig bekannt ist, dass die Ulmer Metal-Helden von GRAVESTONE anfangs Progressive-Rock spielten. Von den rührigen Rock-Archäologen aus dem Ruhrpott wurde zudem auch die erste LP von Dorle Ferbers Band ZYMA wieder zugänglich gemacht. 

 

Zomby Woof aus Reutlingen bekam Ende der 70er-Jahre als eine der wenigen südwestdeutschen Rockbands einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Dieser hielt aber nur ein Album lang. Foto: Promo
Zomby Woof aus Reutlingen bekam Ende der 70er-Jahre als eine der wenigen südwestdeutschen Rockbands einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Dieser hielt aber nur ein Album lang. Foto: Promo

 Vor 40 Jahren war die große Zeit der Rockkonzerte. In Ravensburg, Ulm oder Freiburg füllten selbst heute weitgehend vergessene Bands wie Spooky Tooth, Horslips, Atomic Rooster oder Beggars Opera größere Hallen. Zwischen der baden-württembergischen Landeshauptstadt und dem Bodensee gab es damals nur wenige Bands, die wirklich professionell arbeiteten. Dazu gehörte auch die Artrock-Band ZOMBY WOOF aus Reutlingen. Die nach einem Frank Zappa-Stück benannte Formation tourte seit 1973 durch die Lande und wusste auch neben den etablierten deutschen Acts zu gefallen, wie im Sommer 1974, wo ZOMBY WOOF beim Hayinger Open Air mit Bands wie Birth Control, Kraan und Embryo auftrat. Ihre melodiösen Eigenkompositionen setzten die fünf Musiker mit einer aufwendigen Show in Szene, bei der eine Lightshow, Lasereffekte, Diaüberblendungen und Filme zum Einsatz kamen. Im Herbst 1977 erschien schließlich das Debütalbum „Riding On A Tear“. Das BMG Ariola-Label „Jupiter“ war aufmerksam geworden und ließ die Band acht Songs im Münchener "Olympia Music Studio" einspielen. 5 000 Exemplare wurden von der Scheibe unters Volk gebracht, ein durchaus ansehliches Ergebnis für die schwäbische Band. Etwas später schob das Label noch eine Single mit den LP-Nummern "Dora's Drive" (ein tolles Instrumental) und "Mary Walking Through The Woods" nach.

Die Mannheimer Band Zyma mit Geigerin und Sängerin Dorle Ferber.
Die Mannheimer Band Zyma mit Geigerin und Sängerin Dorle Ferber.

 Aufgrund einer musikalischen Neuorientierung bei "Jupiter Records" kam trotz des Achtungserfolges der Rausschmiss. Gleich  aufgeben wollten die Musiker jedoch nicht. Mit dem Stuttgarter David Hanselmann (vorher bei Triumvirat, Message u.a.) als Sänger wurde 1979 das nie veröffentlichte zweite Album „No Hero“ eingespielt, doch mitten in der boomenden New Wave- und Punkwelle suchend, fanden die Reutlinger keine Plattenfirma mehr. Mit einem letzten Konzert in der Reutlinger Listhalle verabschiedete sich ZOMBY WOOF am 8. Juli 1980 endgültig von den Fans. Heute muss man für ein gut erhaltenes Exemplar der veröffentlichten Original-LP "Riding On A Tear", je nach momentaner Nachfrage, bis zu 60 Euro hinblättern.

 

  Seit mehr als 30 Jahren gehört Dorle Ferber zu den Aktivposten der Linzgauer Künstlerszene. Was vor der Haustür Pfullendorfs und Überlingens phantasievoll-unkonventionelle Blüten treibt, hat seinen Ursprung in der Mannheimer/Heidelberger Szene. ZYMA hieß eine der Bands, bei denen Dorle Ferber in den 70er-Jahren mitwirkte. Mit ihrem Violinenspiel und Gesang prägt sie das Debütalbum „Thoughts“ aus dem Jahr 1978. Die fünf improvisationsgeladenen Songs der Scheibe gehen auch heute noch gut ins Ohr. Jazzrock mit poetischen Zwischentönen, der in seiner Umsetzung an große Bands aus dem Umfeld der britischen Canterbury-Szene wie Caravan, Soft Machine oder Van Der Graaf Generator erinnert. Die CD enthält zwei Bonustracks ("Law Like Love" und "Tango Enough"), die bereits 1974 auf einem Sampler veröffentlicht wurden. „Garden Of Delights“ plant auch seit Jahren, das zweite und letzte Album „Brave New World“ von 1979 neu aufzulegen. Übrigens schaffte es ZYMA zu einem Eintrag in die britische Krautrock-Bibel „A Crack In The Cosmic Egg“. Dorle Ferber spielte danach bei den Folk-Bands Cochise, Zeitenwende und Elster Silberflug.  

 

McOil im September 1979 während der Aufnahmen im legendären Bad Schussenrieder Ege Soundstudio.
McOil im September 1979 während der Aufnahmen im legendären Bad Schussenrieder Ege Soundstudio.

 Der melodiöse Hardrock von McOIL aus Ochsenhausen fand vor allem im Biberacher- und Ulmer Raum viele Anhänger. Die Band war jedoch auch viel in benachbarten Landkreisen unterwegs, und trat unter anderem mehrfach im Ennetacher „Adler“ und Krauchenwieser „Waldhorn“ auf. Der einzige Longplayer „All Our Hopes“ wurde im September 1979 im „Ege-Tonstudio“ in Bad Schussenried eingespielt. Obwohl McOIL die Scheibe mitten in der aufblühenden Punkära auf den Markt brachte, konnten fast alle der 1 000 gepressten Exemplare abgesetzt werden. Die Sex Pistols und The Clash waren offensichtlich noch nicht in Oberschwaben angekommen. Den sieben Originalsongs der Vinylscheibe und dem CD-Bonustrack „A Better Day" sind Vorbilder wie Spooky Tooth oder Eloy deutlich herauszuhören. 1981 nahm McOIL ebenfalls bei Dieter Ege nochmals 14 Eigen-kompositionen auf, die bis heute unveröffentlicht sind. Nach einer lang anhaltenden Phase der Stagnation löste sich die Band schließlich im März 1988 auf. Heute liegt der Sammlerwert ihrer LP „All Our Hopes“ bei satten 360 Euro.

 

Die Band Gravestone aus Illertissen ganz am Anfang ihrer Karriere. Von Metal-Outfit noch keine Spur.
Die Band Gravestone aus Illertissen ganz am Anfang ihrer Karriere. Von Metal-Outfit noch keine Spur.

 Als lupenreine Metalband konnte sich GRAVESTONE aus Illertissen deutschlandweit einen Namen machen. Wenig bekannt ist, dass die ersten beiden Alben der Band eher dem Progressive-Rock zuzuordnen sind. Das Debüt "Doomsday" von 1979 enthält hauptsächlich ausufernde Instrumental-Nummern, wobei der Hang zu härteren Sounds schon durchaus spürbar ist. Die CD-Ausgabe lockt mit der fast achtminütigen UFO-Coverversion "Flying" als Bonustrack. Das im Jahr darauf veröffentlichte zweite Album "War" geriet trotz progressiver Ausrichtung schon deutlich härter und kompakter, wobei der zehnminütige Longtrack "Summer'79" und "Waiting For Peace" aber auch mit elegischen Orgelpassagen punkten können. Für die Vinylausgaben dieser beiden frühen "AVC"-Alben muss der geneigte Sammler inzwischen jeweils mehr als 100 Euro hinblättern.

 

 In der schon in den 70er-Jahren enorm lebendigen Stuttgarter Szene ist "Garden Of Delights" gleich mehrfach fündig geworden. Von EULENSPYGEL wurden drei Alben veröffentlicht, darunter die 1972er-Scheibe "Ausschuß", deren Songs in London im renommierten "Apple-Studio" der Beatles eingespielt wurde. Das einzige Album ("We") der Vorgängerband ROYAL SERVANTS aus dem Jahr 1970 ist beim Label inzwischen leider gestrichen, hier muss man inzwischen auf CD-Börsen und Flohmärkten suchen.

 

Kultalbum: "Bury My Heart At Wounded Knee" 1973 von der Band Gila veröffentlicht.
Kultalbum: "Bury My Heart At Wounded Knee" 1973 von der Band Gila veröffentlicht.

 Von der Progressive-Rockband PANCAKE aus dem nahen Winnenden sind ebenfalls sämtliche drei veröffentlichten Produktionen erhältlich. Die in Stuttgart gegründete Formation GILA umweht Dank des Albums "Bury My Heart At Wounded Knee" (1973) auch international ein kultiger Ruf. Auf "Night Works" sind unveröffentlichte Tracks zu hören, die von der Band 1972 aufgenommen wurden. Gleichsam unkonventionell und zudem wild improvisierend legte die von der Ostalb kommende Band ERNA SCHMIDT auf der Bühne los. Ein offizielles Album konnten die live gut beschäftigten Musiker nie veröffentlichen. "Live 69 - 71", rund 30 Jahre nach Auflösung der Band veröffentlicht, präsentiert zehn bei diversen Konzerten mitgeschnittene Tracks von der Band um Gitarrist Hubert Stytz.   

 Mit diesen und zahlreichen weiteren  Wiederveröffentlichungen aus anderen Teilen Deutschlands hat „Garden Of Delights“ auch dokumentarisch hervorragende Arbeit geleistet. Neben den seltenen Bonustracks bestechen alle hier besprochenen CDs mit genau recherchierten Bandbios und etlichen alten Bilddokumenten. Eigentlich alle CD-Reissues von "Garden Of Delights" punkten mit informativen, oft mehr als 30 Seiten starken Booklets. Oft wird man beim Schmökern in ihnen mit bis dato nicht bekannte Details oder Fotos zur jeweiligen Bandgeschichte konfrontiert. In einigen Jahrzehnten dürfte wohl mancher Musik-Historiker seine Freude am Katalog von "Garden Of Delights" haben. Dieser umfasst bislang 186 veröffentlichte CDs und 32 Vinylalben. Es gibt viel zu entdecken, und bis auf wenige Ausnahmen kommt alles aus der deutschen Rockszene.

 

 Erhältlich sind die Tonträger von "Garden Of Delights" in gut sortierten Plattenläden oder bei Internet-Händlern wie JPC oder Amazon, wo es auch Label-Shops gibt. Wer einen feinen kleinen Händler unterstützen möchte, kann auch in Bayreuth bei "Green Brain" bestellen. Hier gibt es neben den GOD-Tonträgern eine große Auswahl an weiteren legendären Rockscheiben und Insider-Tipps der 60er- und 70er-Jahre.

 

Webseite von Garden Of Delights: www.diregarden.com

 

 

Text: Miche Hepp

 

 

Anmerkung: Es ist geplant, alle hier angesprochenen Alben im Laufe der Zeit

in der Rubrik "Klassiker der Heimat" nochmals ausführlich vorzustellen.

Auch an einer Geschichte über ZOMBY WOOF und EULENSPYGEL bin ich dran.

Die Fotos sind hauptsächlich den Booklets entnommen und wurden vergrößert,

so gut es ging. Daher auch die bescheidene Qualität.