(Heyne Verlag) Für Stephen King ist es zwar "der beste Roman über die Popmusik-Kultur der 60er-Jahre", doch bei uns in Deutschland ist "Armageddon Rock" von George R.R. Martin auch fast 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung nicht über den Status eines Insider-Tipps hinaus gekommen. Dabei lohnt sich das Eintauchen in die Welt der Band Nazgûl, einer Welt voller Rock'n Roll, Drogen, Okkultismus, Visionen und verlorener Träume.
George Raymond Richard Martin wurde hierzulande vor allem als Autor des Fantasy-Bestsellers "Das Lied von Eis und Feuer" bekannt, den man unter dem Titel "Game Of Thrones" sehr erfolgreich
verfilmt hat. Mit seinem Frühwerk "Armageddon Rock" landete er Mitte der 1980er-Jahre zuerst mal einen Flop. Bis heute ist das Buch auch in Deutschland mehrfach neu aufgelegt worden, was jedoch
wohl eher der Popularität des Autors als Vorlagengeber von "Games Of Thrones" geschuldet ist.
Meine Ausgabe, ein altes Heyne-Taschenbuch von 1989, war vor 30 Jahren ein Wühltisch-Kauf, und ich muss zugeben, dass auch bei mir zuhause der 555-Seiten-Schmöker jahrelang ungelesen im
Regal stand. Zu Unrecht! Mit den Jahren ist aus "Armageddon Rock" heimlich, still und leise ein Kultbuch geworden, das von einer ansehlichen Fangemeinde geschätzt wird. Es erzählt die Geschichte
der fiktiven US-Band Nazgûl und des mäßig erfolgreichen Buchautors Sandy Blair. Im Buch ist Nazgûl eine Rocklegende, um die sich einige Mythen ranken, hat sie sich doch mit einer Tragödie aus dem
Musikbiz verabschiedet. Ihr Sänger Patrick Henry Hobbins wurde im Jahr 1971 beim West Mesa-Rockfestival während des Auftrittes erschossen. Acht weitere Menschen starben bei der Panik, die darauf
folgte.
Als der Manager von Nazgûl zehn Jahre später äußerst brutal ermordet wird - und zwar so, wie es die Band bei ihrem letzten Auftritt besungen hat - wittert der unter einer Schreibblockade
leidende Schriftsteller eine heiße Story. Nach dem etwas mühsamen Start der Handlung wird man regelrecht in die aufwendige Recherche Sandy Blairs hineingezogen. Er sucht nach den Musikern der
längst aufgelösten Band. Die Reise quer durch die USA ist zugleich auch eine Aufarbeitung der Vergangenheit des ehemaligen Musikjournalisten. Sandy Blair trifft alte Weggefährten des
politischen "Movements", blickt in den Abgrund und kämpft mit seinen eigenen Dämonen. Hat man ein Faible für derartige Themen, fasziniert diese ganz eigene Melange aus Rockbuch, Horror-Thriller
und Reminiszenz an die Post-Hippie-Ära der USA. George R.R. Martin beschreibt die Szene um Nazgûl so vollblütig, dass man ihm den bisweilen etwas verqueren Handlungsstrang gerne verzeiht.
Irgendwann glaubt man sogar, beim Lesen die Rocknummern der Kultband regelrecht zu hören. "Armageddon Rock" ist ein atmosphärisches "B-Movie" in Buchform, bei dem man bestens unterhalten wird.
Ein "zwischen zwei Buchdeckeln gepacktes Rockalbum" lobt das Online-Magazin "Zauberspiegel". Gibt es ein schöneres Kompliment?
Der Münchener Heyne Verlag hat vor fünf Jahren eine derzeit noch im Handel erhältliche 574-Seiten-Ausgabe von "Armageddon Rock" veröffentlicht. ISBN-Nummer: 978-3-453-31805-2. Im Bild
rechts die erste Taschenbuchauflage des Heyne-Verlags aus dem Jahr 1989.
Miche Hepp