Es gibt nur wenige deutsche Rockbands, denen man musikalisch einen ureigenen Stil bescheinigen kann.
M. WALKING ON THE WATER gehört ohne Zweifel dazu. Inmitten der Krise, in der sich das Livebusiness derzeit befindet, trat die Formation um die beiden Gründungsmitglieder Markus Maria Jansen und Mike Pelzer am
24. Oktober 2022 im Reutlinger Kulturzentrum "Franz K" auf und zeigte sich dabei quicklebendig. Das Songwriter-Duo und seine drei Mitmusiker Axel Ruhland (Violine), Konrad Mathieu (Bass) und Martell Beigang (Drums) schlugen eine Brücke vom aktuellen, progressiv angehauchten Rock hin zu den folkverliebten Songs der Band, die bereits Ende der 80er-Jahre veröffentlicht wurden.
Sie seien zwar aus Spargründen "ohne Tontechniker und Lichtmensch" angereist, wie Gitarrist und Sänger Markus Maria Jansen augenzwinkernd anmerkte, doch immerhin hätten sie ihre Tournee nicht abgesagt. Zu Beginn ihrer Laufbahn bezeichneten die Musiker von M. WALKING ON THE WATER ihren Sound als "Short Distance Psycho Folk". Eine Stilbezeichnung, die an diesem Abend angesichts der überschaubaren Besucherzahl und der intimen Location im Foyer des "Franz K" eine ganz neue Bedeutung bekam. Noch nie war zumindest ich so nah an den Indie-Rock-Urgesteinen aus Krefeld dran.
M. WALKING ON THE WATER ist eine der wenigen deutschen Bands, die von Beginn an durch und durch kontinentaleuropäisch klang, diesen Eindruck hatte man auch bei ihrem dritten Reutlinger
Auftritt seit 2016. Das Quintett startete mit dem Instrumental "Mariannes Gedanken" in einen mehr als 90minütigen Auftritt, der keine Langeweile aufkommen ließ. Mit einer guten Balance zwischen
der folkverliebten Frühphase und dem ambitionierten Indie-Rock der späteren Jahre. Die Setliste umfasste Songs aus allen Schaffensphasen, ausgeruht wie kompetent interpretiert von einer gut
aufgelegten Band.
Den Besuchern bot sich ein superb abge-schmecktes Menü an Filetstücken, vom Speedfolk-Feger "Melitaah“ über das live-erprobte "Poison" bis hin zu "Sing Sally", einem erhabenen Popsong aus dem 2011er-Album "Flowers For The Departed". Natürlich durften mit "Flowers Of The Gone" und "Party In The Cemetery" auch die beiden heimlichen Hits des Debütalbums nicht fehlen. Mit fünf Titeln war das übrigens sehr schön gewordene aktuelle Studioalbum "Lov" vertreten, von denen die melancholische Ballade "Too Young" herausragte.
Jam-artig startete die Band in ihren Zugabenteil. Zur Überraschung eher floydige Töne, die an 1970 und "Umma Gumma" erinnerten und in den bandeigenen Klassiker "Pluto" mündeten. Diese Lust am Improvisieren zeigt, auch 37 Jahre nach der Bandgründung sind M. WALKING ON THE WATER auf der Suche nach neuen Ufern. Übrigens schunkelte auch im "Franz K" immer noch eine dieser legendären Glühbirnen hin und her, die 1988 als Lightshow für die ersten Tourneen der Band an den Start gebracht wurden.
Bleibt zu hoffen, dass die Zeiten für das Konzertbusiness wieder besser werden und sich M. WALKING ON THE WATER irgendwann ein viertes Mal im "Franz K" zurückmelden. Ich wäre wieder vor der Bühne!
Text & Foto: Miche Hepp