Festival-Review


Unterwaldhausen rockt !

Ein facettenreiches Band-Line-Up und die zweite Festivalbühne lassen beim "Querbeat Festival" keine Langeweile aufkommen

Mit dem "Querbeat-Festival" lockte am 26. und 27. April das erste Zeltfestival dieses Jahres zu einem Wochenend-Trip ins kleine Unterwaldhausen. Mehr als 1500, teilweise sogar vom benachbarten Ausland angereiste Besucher hatten es sich nicht nehmen lassen, in der oberschwäbischen Provinz mit 20 Bands den Startschuss in die neue Festival- und Open Air-Saison zu feiern. Darunter waren auch viele Stammgäste, die ihrem Festival schon seit Jahren die Treue halten. Verantwortlich für all das ist der örtliche Musikverein, der dieses Event über die Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat. Programmplaner Manfred Schlagenhauf bietet Jahr für Jahr ein kompetent zusammengestelltes Line-Up, das der Fangemeinde von Ska, Reggae, Punkrock und Weltmusik immer etwas Neues bietet. Szenebekannte Bands aus dem In- und Ausland werden ebenso nach Unterwaldhausen geholt, wie innovative Insidertipps. Längst ist das "Querbeat" zu einem der Aushängeschilder der oberschwäbischen Festivalkultur geworden. Chapeau!

 

Charismatischer Frontmann: George Smiley von "Smiley & The Underclass aus London.
Charismatischer Frontmann: George Smiley von "Smiley & The Underclass aus London.

 Am Freitagabend war das geräumige Zelt bereits fast vollständig gefüllt, obwohl kein großer Name als Headliner lockte. Von den acht auftretenden Formationen setzten vor allem SMILEY & THE UNDERCLASS ein Ausrufezeichen in Sachen Spielfreude und Eigenständigkeit. Die Band überraschte auf der kleinen Zeltbühne das Publikum mit einem Mix aus hartem Rock, Reggae und Ska, dem Gitarrist James Shephard mit unkonventionellem, bisweilen sogar zappaesk angehauchtem Spiel eine ganz eigene Färbung gab. Als quirliger Aktivposten zog Gitarrist und Leadsänger George Smiley unaufhaltsam die Aufmerksamkeit auf das politische und sozial engagierte Anliegen der vier Londoner. "Fuck The AfD", appellierte er einmal an seine Zuhörer. Ein klares politisches Statement und eine Band, von der man sicher noch viel hören wird.


 Eine besondere Duftmarke auf der zweiten Bühne setzten auch KOCHKRAFT DURCH KMA. Die Rheinland-Ruhrpott-Connection lässt ja schon seit einigen Jahren mit schwer rockigem Electro-Pop und dadaistisch angehauchten Agit Pop-Texten aufhorchen. Auch in Unterwaldhausen peitschte die Band ihre Songs kompromisslos aus den Boxen. Deichkind meets Knorkator meets Neue Deutsche Welle. Kennt man also schon. Hat in Unterwaldhausen trotzdem viel Spaß gemacht, weil KOCHKRAFT DURCH KMA live eine Wucht sind und die Songs trotz aller Härte immer noch gut ins Ohr gehen.

 

Pianist und Sänger Jet Baker war der Aktivposten beim Auftritt von Buster Shuffle. Zum Schluss brachten die Briten zur Freude des Publikums ein langes Medley mit Klassikern von Queen und The Beatles.
Pianist und Sänger Jet Baker war der Aktivposten beim Auftritt von Buster Shuffle. Zum Schluss brachten die Briten zur Freude des Publikums ein langes Medley mit Klassikern von Queen und The Beatles.

 BUSTER SHUFFLE konnte als heimlicher Headliner des Abends mit lässiger Gangart und sympathischer Bühnenpräsenz überzeugen. Schon der Bühnenaufbau war für eine Ska-Band ungewöhnlich. In der Mitte thronte das Piano von Frontmann Jet Baker, der neben  bandeigenen Ohrwürmern wie "We Fall To Pieces" und "I Don't Trust A Word You Say" auch ein Medley aus "Bohemian Rhapsody" und "All We Need Is Love" anstimmte - wohl wissend, dass er sich im großen Unterwaldhauser Zelt auf einen vielstimmigen Background-Chor verlassen konnte. Auch der Ska-Evergreen "A Message To You Rudy" aus dem Jahr 1967 wurde von BUSTER SHUFFLE gutgelaunt abgefeiert. Obwohl wegen dieser Coverversionen der eine oder andere hörenswerte eigene Song auf der Strecke blieb, zeigten sich sowohl die Musiker als auch das Publikum zufrieden mit dem eher routiniert vorgetragenen Festival-Set. "You guys make the tent rock", lobte die Band dann auch am Tag darauf auf ihrer Facebook-Seite.

 

Ganz coole Instrumentalmucke mit grandios klingenden Gitarren. Le Grand Miercoles aus Spanien.
Ganz coole Instrumentalmucke mit grandios klingenden Gitarren. Le Grand Miercoles aus Spanien.

 Am Samstagnachmittag mussten die Vorarlberger Skasters von OUT OF FRAME und die Biberacher Rockband MISCHA vor fast leerem Zelt auftreten. Beide gaben dennoch ihr Bestes und brachten sogar noch einige von den wenigen Anwesenden zum Tanzen.

 

 In Quintett-Besetzung überraschte danach DAS LUNSENTRIO mit kantigem und kräftig zupackendem Rock. Hätte man so in der Form nicht erwartet, da man von den Musikern aus Bayern und Berlin eher Reggae, Pop und Singer/Songwriter-Stoff kennt. Nach ihrem Auftritt zeigten sich Multiinstrumentalist Nick McCarthy (genau - der von Franz Ferdinand!) und Sänger Hank Schmidt in der Beek übrigens als wahre Feierbiester, die zu fortgeschrittener Stunde die anderen Bands auf der Bühne mit Bier versorgten - sagen wir mal auf ganz spezielle Art und Weise. 


 Das Rock-Trio TREPTOW war eine der positiven Überraschungen des diesjährigen Festivals. Mit dem rauen Gesang von Gitarrist und Sänger Philipp Taubert können sich die Berliner auf ein ureigenes Markenzeichen verlassen. Das angenehm schnörkellose und forsch nach vorne gespielte Set auf der kleinen Bühne endete mit der Single "Dein viel zu lautes Leben". Den Leuten, die dem zeitlosen Gitarrenrock der Band ein Ohr schenkten, hat's gefallen.

 

 Grundsolide war auch die Liveshow der Psychobilly-Pioniere COFFIN' NAILS. Die Engländer preschten mit viel Spielfreude durch ein Set mit rootslastigem Rock'n Roll und präsentierten sich um einiges frischer als so manch anderes bekannte Urgestein der Psychobilly-Szene. Etwas langsamer, doch nicht weniger rockig ließen es LE GRAND MIERCOLES aus Spanien angehen. Instrumentaler Surf-Rock'n Roll mit viel Twang im Gitarrensound war angesagt. Die vier Musiker wären die Idealbesetzung als Filmmusik-Komponisten für Quentin Tarantino oder David Lynch.

Hört man in der Form auch nicht so oft in oberschwäbischen Gefilden.

 

Dub Pistols untermauerten beim "Querbeat" ihren Headliner-Status mit einem mitreißenden Auftritt, der fast das ganze Zelt zum Tanzen brachte.
Dub Pistols untermauerten beim "Querbeat" ihren Headliner-Status mit einem mitreißenden Auftritt, der fast das ganze Zelt zum Tanzen brachte.

 Die DUB PISTOLS stellten auch in Unterwaldhausen eindrucksvoll unter Beweis, wieso sie auch bei den ganz großen Open Airs wie Glastonbury, Sziget oder Isle Of Wight die Festival-Crowd ganz locker zum Tanzen bringen. Ihr temperamentvoller Mix aus Hip Hop, Reggae, Ska und Breakbeat zielte voll auf das Tanzbein. Mit einer gelungenen Cover-Version des Ska-Fegers "Gangsters" feierten die DUB PISTOLS zudem die Reunion der in England hochverehrten Kultband The Specials. Mit ihrem ureigenen Style und einer coolen Performance unterstrich die Band um Frontmann Barry Ashworth ihren Stellenwert als einer der gefragtesten europäischen Breakbeat-Acts. Ein würdiger Headliner für das diesjährige "Querbeat".     

 

 Was die Auftritte der Lokalhelden MOSKOVSKAYA und BAD SHAKYN betraf, galt das Motto "the same procedure as every year". Beide Bands sorgten für reichlich  Bewegung vor die Bühne und wurden vom Publikum abgefeiert.

 

 Mit der griechischen Band VODKA JUNIORS ging ein stimmiges "Querbeat Festival" zu Ende, an das die Besucher wohl trotz der widrigen Wetterbedingungen gerne zurückdenken werden. Mit der zweiten Festivalbühne konnten die Umpaupausen auch diesmal angenehm knapp gehalten werden. Allerdings hatte man bisweilen auch das Gefühl, dass die dort aufgebaute P.A.-Anlage auslastungsmäßig ihre Grenzen erreichte. Hier müsste das Querbeat-Team mit etwas P.A.-Leistung aufstocken, um auch den hinteren Teil des Zeltes adäquat beschallen zu können.

 

 Nach dem Festival ist vor dem Festival. Im Herbst wird es sicher wieder erste Bandbestätigungen vom "Querbeat 2020" geben. Man sieht sich im kommenden Jahr in Unterwaldhausen.    


Vielen Dank an Manne Schlagenhauf für die Akkreditierung.

 


Text: Miche Hepp
Fotos: Marian Hepp