Festival-Tipp


Musikalische Grenzgänger und ein Blues-Urgestein

Jim Kahr und die Band Embryo bereichern am 21. Juli neben vier weiteren Live-Acts das diesjährige "Schlachthof Festival"

Das Warten hat ein Ende: Nach zweijähriger Pause lockt am Samstag, 21. Juli, in Sigmaringen das SCHLACHTHOF FESTIVAL mit einem spannenden Musikprogramm abseits des Mainstreams. Ab 16 Uhr nachmittags entfaltet sich in den Räumen und auf dem Gelände des Kulturzentrums Alter Schlachthof ein Spektrum, das vom Blues über elektronischer Musik und ethnischen Klängen bis hin zum psychedelischen Jazz reicht. Abendlicher Höhepunkt sollen die Auftritte der legendären Münchener Jazzrock-Band EMBRYO und von US-Bluesmusiker JIM KAHR werden.

 

Jim Kahr aus Chicago hat als Bandmitglied und Studiomusiker noch mit etlichen der großen Blues- und Rocklegenden gespielt. John Lee Hooker und Joe Cocker sind nur zwei aus einer langen Liste.
Jim Kahr aus Chicago hat als Bandmitglied und Studiomusiker noch mit etlichen der großen Blues- und Rocklegenden gespielt. John Lee Hooker und Joe Cocker sind nur zwei aus einer langen Liste.

 Den Auftakt macht das Duo KLAUSTROPHONIE mit elektronischen Soundlandschaften, die an die "kosmischen Kuriere" des Krautrocks erinnen. Hinter dem Projektnamen FRIDA STROOM steckt die Schweizerin MARTINA BERTHER, die mit der Züricher Jazzformation Weird Beard bereits vor zwei Jahren beim "Schlachthof Festival" aufgetreten ist. Als "Musik mit Strom und gegen den Strom" bezeichnet die Bassgitarristin ihr Soloprogramm. Ebenfalls am Nachmittag auftreten werden MANFRED KNIEL und KARL FARRENT. Der aus England stammende Jazztrompeter und sein deutscher Kollege am Drumset geben als PINK JAZZ SALOON diversen Jazz-Standards eine futuristische Note. An anderer Stelle im Kulturzentrum lockt das aus MARJA BURCHARD und MAGDALENA DZECO bestehende MA DUO mit einer Musik-Tanz-Performance, bei der unter anderem das afrikanische Daumenklavier Kalimba zu Einsatz kommt.

 

 JIM KAHR tourte erstmals im Oktober 1976 als Gitarrist von John Lee Hookers "Coast To Coast Blues Band" durch Europa. Anfang 1977 kehrte der in der Southside von Chicago aufgewachsene Musiker nach Deutschland zurück und gründete in seiner neuen Homebase Mannheim die JIM KAHR GROUP, mit der er schnell zu einem der gefragtesten Live-Acts der deutschen Bluesszene wurde. In den 80er-Jahren veröffentlichte der Gitarrist und Sänger unter eigenem Namen mit verschiedenen Besetzungen eine Reihe von Alben, die auch heute noch sehr gut ins Ohr gehen. Bereits 1978 erschien in Deutschland das Album "Live + Well" von John Lee Hooker & The Coast To Coast Blues Band, für das er zusammen mit Hooker drei der sieben Songs geschrieben und das Traditional "Black Night Is Falling" neu arrangiert hat.

 

 Zuvor spielte JIM KAHR in den USA bereits mit Blueslegenden wie Lightnin' Hopkins, Junior Wells, Bobby "Blue" Bland, Willie Dixon, T-Bone Walker sowie Freddie King, und auch Joe Cocker nahm seine Dienste als Gitarrist in Anspruch. 1992 ging der heute 65jährige zurück nach Amerika. Er lebt und tourt seither wechselweise auf beiden Seiten des Atlantiks.

 

Mit ihren jungen Musikern improvisiert die umbesetzte Formation Embryo zum Teil wild drauflos. Gelegentlich stößt noch ein Bandmitglied aus den legendären alten Tagen mit dazu, was die Sache noch spannender macht.
Mit ihren jungen Musikern improvisiert die umbesetzte Formation Embryo zum Teil wild drauflos. Gelegentlich stößt noch ein Bandmitglied aus den legendären alten Tagen mit dazu, was die Sache noch spannender macht.

 Den Schlusspunkt des diesjährigen "Schlachthof Festivals" setzt eine ganz besondere Band. EMBRYO galt in den 70er-Jahren neben Passport und Kraan als eine der wegweisenden deutschen Jazzrock-Bands. Im Laufe der Jahrzehnte traten international bekannte Jazz- und Weltmusiker wie Trilok Gurtu, Mal Waldron, Monty Waters und Charlie Mariano der Band bei. Wenig bekannt ist, dass auch Nick McCarthy, Gitarrist der schottischen Alternative-Rock-Band Franz Ferdinand, eine Zeit lang bei EMBRYO spielte. Aufgrund ihrer welt- und stiloffenen Gangart sowie ihrer Pionierarbeit in Sachen Ethno-Rock hatte die Münchener Gruppe in Musikerkreisen weltweit einen guten Ruf. Fast immer wurde improvisiert, man stieg ein und spielte einfach mit. Kein Wunder also, dass in knapp 40 Jahren rund 400 Musiker die Band durchliefen. Legendär ist auch der achtmonatige Fernost-Trip mit Ziel Kalkutta vom Herbst 1978 bis zum Sommer 1979, festgehalten im Film "Vagabunden Karawane". EMBRYO suchten bei dieser Reise den Kontakt zu fremden Kulturen. Sie traten an außergewöhnlichen Orten auf und brachten Menschen unterschiedlichster Herkunft durch gemeinsames Musizieren zusammen. Später trat die Band ähnliche Reisen auch nach Afrika an, beispielsweise zu Ethno-Weltstar Fela Kuti nach Nigeria.

Im Januar ist der Mitbegründer und das Herz der Band Christian Burchard leider verstorben. Sein Erbe wird von seiner Tochter MARJA BURCHARD weitergetragen, die seit seinem Schlaganfall vor anderthalb Jahren EMBRYO allein leitet und die Formation mit jungen Musikern sehr lebendig präsentiert, wie diverse Konzerte gezeigt haben. Man darf gespannt sein, welche musikalischen Akzente die experimentierfreudige Band in Sigmaringen setzen wird.


   
SCHLACHTHOF FESTIVAL

Samstag, 21. Juli, Beginn 16 Uhr,

Sigmaringen Kulturzentrum Alter Schlachthof.


Verbilligte Vorverkaufs-Karten für 18,00 Euro sind in der Sigmaringer Buchhandlung "Rabe" erhältlich.

Telefonische Kartenreservation unter 07571/3333.

Kinder bis zwölf Jahre haben freien Eintritt.

Weitere Infos unter www.schlachthof-sigmaringen.de

 

 

 

Text: Miche Hepp/Christoph Wagner

Fotos: Promo