Konzert-Review


Es geht auch ohne "Katharine"

Die Rottweiler Band Steinwolke hat sich mit einem umjubelten Heimspiel zurückgemeldet

Es war ein Comeback ganz ohne Medienresonanz im Vorfeld. Am 29. Juli stand zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahrzehnten die Band STEINWOLKE wieder auf der Bühne. Die Gründungsmitglieder Konrad Haas (Saxophon, Flöte, Gitarre, Gesang), Andreas Haas (Bass, Gesang), Dominic Diaz (Drums, Percussion, Gesang) und Uli Schmid (Keyboards, Gesang) hatten mit Gitarrist Jens Kramer einen versierten Musiker nach Rottweil mitgebracht, der schon in den 90er-Jahren zum bislang letzten Line-Up gehört hatte. Zu hören war ein ansprechendes Set mit Songs aus allen Band-Dekaden, in dem auch die ehemals soften Deutsch-Pop-Nummern eher in der rockigen Ecke verortet waren. Der nach dieser langen Pause enorm stilsicher und gelassen agierenden Band gelang eine gute Balance zwischen Emotion und Perfektion. 

 

In dieser Besetzung erstmals seit Mitte der 80er-Jahre wieder als Steinwolke gemeinsam auf einer Livebühne: Die Brüder Andreas Haas, Dominic Diaz und Konrad Haas (von links).
In dieser Besetzung erstmals seit Mitte der 80er-Jahre wieder als Steinwolke gemeinsam auf einer Livebühne: Die Brüder Andreas Haas, Dominic Diaz und Konrad Haas (von links).

 Der Anlass für diese doch recht unerwartete Rückkehr nach mehr als 20 Jahren Konzertabstinenz war ganz persönlicher Natur. Die Familie der Bandmitglieder Konrad Haas, Andreas Haas und Dominic Diaz hat der Stadt Rottweil die von ihrem Vater, dem Künstler Siegfried Haas (1921-2011) erschaffene Skulptur "Diotima" geschenkt. Der Auftritt von STEINWOLKE fand für die Öffentlichkeit unangekündigt nach dem offiziellen Festakt statt.

 Konzert und Schenkungsakt sollten im Rottweiler Stadtgraben stattfinden, einer überaus idyllischen Ecke in Deutschlands ältester Stadt. Schon auf der Fahrt dorthin überlegte ich mir, was an diesem schönen Sommerabend auf mich zukommen könnte. Würde sich STEINWOLKE nur auf den eher kommerziell ausgerichteten Karriereabschnitt nach ihrem NDW-Hit "Katharine" konzentrieren oder im günstigen Fall auch einige ihrer älteren, englischsprachigen Titel auf die Setliste nehmen? Meine Sorge sollte unbegründet sein. Schon zu Beginn kündigte Frontmann Konrad Haas an, sie würden Songs aus allen Schaffensphasen der Band spielen, und dass "Katharine" nicht mit dabei wäre. Im Publikum schien sich die Enttäuschung darüber in Grenzen zu halten. Viele der Anwesenden waren deutlich "Ü 50" und dürften auch das frühe Repertoire der Band kennen.

 

Vorab gab es im Rahmen der Schenkung der Skulptur "Diotima" an die Stadt Rottweil eine kurze Unplugged-Einlage mit Gitarrist Wolfgang Stute (rechts) als Gastmusiker.
Vorab gab es im Rahmen der Schenkung der Skulptur "Diotima" an die Stadt Rottweil eine kurze Unplugged-Einlage mit Gitarrist Wolfgang Stute (rechts) als Gastmusiker.

 Zu meiner Freude hatte STEINWOLKE drei rockige Ohrwürmer aus den ersten veröffentlichten Alben auf die Setliste gepackt. "No Reason", "Groggy" und "City Life", alle drei mit viel Verve gesungen von Dominic Diaz, dessen Stimme im Laufe der Jahre etwas rauer geworden ist. Im Wechsel dazu waren spätere, poporientierte Songs wie "Deine Träume", "Wir waren jung" oder "Kleinstadt" zu hören. Letzteres kündigte Konrad Haas als Ode an seine Heimatstadt an. Um das Ganze jedoch nicht zu offensichtlich werden zu lassen, habe man damals den Namen "Rottweil" bewusst nicht im Text untergebracht. Entschlackt vom heute oft als steril und klebrig empfundenen Produktionsstil der 1980er-Jahre, hat der Deutschpop von STEINWOLKE an diesem Abend durchaus Singer/Songwriter-Qualität, wegen der teils sehr guten Texte bisweilen sogar mit chansonesken Untertönen. 

 

 Auch musikalisch scheint die Band zumindest live ihren soften Popkurs hinter sich gelassen zu haben. Jens Kramer sorgte mit seinem Gitarrenspiel für einen überraschend rockigen Anstrich des Sets. Ein echter Könner, der sich immer mal wieder mit kurzen, knackigen Soli einbrachte. Nicht nur beim erstaunlich erdig daherkommenden Anti-Drogen-Song "Meister der Einsamkeit" zog er mit seiner Fender Stratocaster so richtig vom Leder.   

 

Gitarrist Jens Kramer, auch schon seit 30 Jahren bei Steinwolke, gab mit seinem Spiel auch den poporientierten Nummern eine angenehm rockige Färbung.
Gitarrist Jens Kramer, auch schon seit 30 Jahren bei Steinwolke, gab mit seinem Spiel auch den poporientierten Nummern eine angenehm rockige Färbung.

 Bevor mit dem Ohrwurm "Land in Sicht" vom selbstbetitelten 1983er-Album und der Zugabe "In 80 Tagen um die Welt" der rund 70minütige Auftritt zu Ende ging, brachte das pulsierende Instrumental "Erinnerung an die Meseta" vom 1981er-Album "Live" noch mehr Gäste des Festaktes zum Mittanzen. Ein jazziger Kontrapunkt im Set und enorm wichtig für den positiven Gesamt-eindruck, den die entspannt agierenden Musiker in diesem "familiären Rahmen" hinterließen. STEINWOLKE ist wieder da und hat sich überraschend vielseitig präsentiert. Wer die Band seit "Katharine" nicht mehr auf dem Zettel hat und immer noch in der mainstreamigen Deutschpop-Schublade ablegt, sollte ihr mal wieder ein Ohr leihen. Ein neues Album und weitere Konzerte sind in Planung.

 

 

Text und Fotos: Miche Hepp

 

 

Steinwolke - Setliste:


01 Teufel
02 No Reason
03 Das bist alles Du
04 Groggy
05 Kleinstadt
06 Wir waren jung
07 Deine Träume
08 City Life
09 Was sich mit Worten sagen lässt
10 Meister der Einsamkeit
11 Erinnerung an die Meseta
12 Land in Sicht
13 In 80 Tagen um die Welt